Performance und Installation, Dortmund 2012
Ausgangspunkt des Projekts In Begleitung war mein Interesse an dem Stück 4’33 als stummes Stück, als ein Musikstück ohne intendierten Klang. Dieses Interesse koppelte sich mit demjenigen an urbaner Hörerfahrung und akustischer Orientierung ebenso wie an einem schweigenden Zusammensein und non-verbaler Kommunikation zwischen einer/m Performer*in und einer/m Besucher*in. Ich war gespannt darauf zu erkunden, wie Besucher*innen sich einer/m Performer*in in der Performance überantworten. Das dritte Ausgangsinteresse zu dieser Arbeit speiste sich aus meiner Auseinandersetzung mit dem Galerie- oder Museumsraum, bzw. der (architektonischen) Schwelle, die den Raum zu dem werden lässt, was er im je spezifischen Fall ist. Mein Intention war, diese Schwelle im Rahmen der Performance zu überschreiten und damit die Produktions- und Rezeptionshaltung des Museums in die Alltagswelt zu tragen. Entscheidend für mich war der (rituelle) Moment der Passage. Der vierte Ausgangspunkt schließlich gründete auf meiner Auseinandersetzung mit urbanen Klangräumen und der Frage, wie diese einer ästhetischen Erfahrung zugänglich gemacht werden können.
Expert*innen für die urbane akustische Umgebung des Dortmunder U, dem 2010 im ehemaligen Brauturm der Union-Brauerei eröffneten Ausstellungszentrum unweit des Dortmunder Hauptbahnhofs, sind die Menschen, die dort leben oder in ihrem Alltag dort zu tun haben. Die spezifischen Hörerfahrungen, die einen speziellen Ort für sie vertraut oder verstörend machen, waren der Ausgangspunkt für die Entwicklung der Arbeit.
Auf drei Hockern in einem Raum der Ausstellung sitzen während der Öffnungszeiten je drei Begleiter*innen. Auf dem Boden befindet sich ein weißer Kreis, groß genug, damit eine Person hineintreten kann; an der Wand hängt ein Schild mit der Aufschrift: Um die Arbeit zu aktivieren, treten Sie bitte in den Kreis. Vor dem Raum befindet sich eine Informationstafel, die den Besucher*innen einige rudimentäre Informationen zur Arbeit und deren Ablauf gibt. Die Begleiter*innen sitzen stumm auf ihren Hockern in einer Reihe. Sie betrachten die Hereintretenden, ohne jedoch konkret Kontakt aufzunehmen. Tritt ein*e Besucher*in in den Kreis, steht eine*r der Begleiter*innen auf, tritt auf die/den Besucher*in zu, begrüßt sie/ihn nonverbal und bedeutet gestisch, ihr/ihm zu folgen. Der Begleiter, die Begleiterin unternimmt mit der/dem Besucher*in eine stumme Wanderung von der Ausstellung durch das sehr heterogene Umfeld des Dortmunder U an den Ort, den wir individuell für die Aufführung von 4’33 bestimmt haben. Die Leitfrage für das Finden der Aufführungsorte war die nach einer spezifischen Hörsituation, mit der die/der jeweilige Performer*in persönlich verbunden ist. Orte der Aufführung waren u.a. eine Walzstraße, die über eine Autostraße führt, das Verladeterminal im Dortmunder Binnenhafen, die Wunderkammer im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte, der Schutthaufen hinter dem Dortmunder U oder eine Werbetafel in der Fußgängerzone. Bis zum Ende der Aufführung von 4’33 wurde kein Wort gesprochen. Jede Kommunikation erfolgt nonverbal. Am Aufführungsort angekommen, arrangiert die/der Begleiter*in die/den Besucher*in in einer spezifischen Hörsituation. Sodann zieht die/der Begleiter*in eine Taschenuhr aus der Tasche und führt das dreisätzige Stück von John Cage auf. An den meisten Orten werden die Besucher*innen in jeder Satzpause neu arrangiert, sodass eine neue Rezeptionssituation entsteht.
Ist die Aufführung des Stücks vorbei, stellt sich die/der Begleiter*in vor und fordert den/die Besucher*in auf, gemeinsam zur Ausstellung zurückzukehren.
Für den Rückweg haben wir zu jeder Performance kleine persönliche Geschichten und Fragen erarbeitet, die ungezwungen diskutiert werden.
Die Performance fand während der Ausstellungsdauer immer Sonntagnachmittags statt. An den Tagen, an denen sie nicht stattfand, präsentierte ich kurze Sprechsequenzen der Performer*innen zu ihrem Aufführungsort, die man über eine Stadtplan-Installation aktivieren konnte.
In Begleitung wurde realisiert für die Ausstellung Sounds like Silence (24.August 2012 – 06. Januar 2013) im Hardware Medienkunstverein Dortmund.
Rezension der Ausstellung in Texte zur Kunst.